Sachverständige sind gemäß §§ 402 ff. ZPO Beweismittel in fast jedem gerichtlich anhängigen Bauverfahren. Wird ein Gutachten erstattet, was für die nahezu ausnahmslos nicht fachkundigen Gerichte plausibel ist, ist dessen Votum in aller Regel urteilstragend. Dies, obwohl der Begriff Sachverständiger zunächst qualitativ völlig dimensionslos ist. Im Sinne der Rechtspflege ist dieser Zustand sicherlich nicht, wie im Folgenden begründet wird:
Ein Sachverständiger ist eine Person mit Sachverstand. (Oder eine, die sich dafür hält). Das ist zunächst die banale Ausgangsposition. Jeder darf sich in Deutschland Sachverständiger nennen, sofern er nicht gegen den lauteren Wettbewerb verstößt, konkret gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG 2004, zuletzt geändert 2009). Da die bloße Bezeichnung Sachverständiger keiner gesetzlichen Regelung unterliegt, ist die Aneignung dieser Berufsbezeichnung, beispielsweise als Bausachverständiger, nahe liegend, ohne dass es einer Qualifikationsprüfung, Erlaubnis, Anerkennung oder Aufsicht bedarf. Mangels Berufsbezeichnungsschutz kann gegen die Verwendung des Begriffs eigentlich nur über das UWG vorgegangen werden. Dann nämlich, wenn die Verwendung der Bezeichnung im konkreten Zusammenhang irreführend ist und eine nicht vorhandene Qualifikation vorgaukelt. Bei Verwendung der Bezeichnung „öffentlicher Sachverständiger“ o. ä. liegt Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 3 StGB vor. Der Verstoß kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden. (Vergleichbares gilt auch, wenn der kreisrunde Dienststempel eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, den er von seiner bestellenden Körperschaft während seiner Dienstzeit zur Verfügung gestellt bekommt und der ihn „ausweist“, in zum Verwechseln ähnlicher Form verwendet wird, z.B. als ovaler Stempel, § 132a Abs. 2 StGB).
Insbesondere die schlechte Auslastung vieler Planer (auch dieser Begriff ist gesetzlich nicht geschützt, was die Situation für nicht Fachkundige noch unübersichtlicher gestaltet), machte sie über Nacht zu selbsternannten Sachverständigen, unwissentlich gefördert durch die eben genannte Unkenntnis der Verbraucher darüber, was ein Sachverständiger eigentlich ist. Interessanterweise scheint sich dieser Missstand in erster Linie über das UWG zu regulieren. Das bedeutet, dass sich niemand Sachverständiger nennen darf, der nur über eine durchschnittliche Sachkunde verfügt, weil damit beim Verbraucher der falsche Eindruck der besonderen Sachkunde erweckt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Bezeichnung gewählt wird, die dazu geeignet ist, etwas Spezielles vorzutäuschen, wenn also ein selbst ernannter Sachverständiger die Bezeichnung eines Bestellungsgebiets führt, das beispielsweise öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorbehalten ist.
Grundlegend anders ist das bei nach § 36 Gewerbeordnung (GewO in der Fassung 1999, zuletzt geändert 2009) durch Körperschaften des Öffentlichen Rechts (in der Regel Architekten-, Ingenieur-, Industrie – und Handels – sowie Landwirtschaftskammern) öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Hier herrscht Recht und Ordnung. Diese müssen nach den jeweiligen Sachverständigenordnungen eine ausreichende Berufserfahrung (neben einer definierten Einstiegsqualifikation wie z.B. Architekt oder Beratender Ingenieur) und persönlicher Eignung eine Besondere Sachkunde im Rahmen einer kammerexternen Prüfung nachweisen und werden darauf vereidigt, dass sie ihre Sachverständigenaufgaben unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft und unparteiisch erfüllen. Häufig erfolgt die Bestellung nur befristet und wird nach einigen Jahren überprüft. Dabei unterliegt ihre Arbeit der Aufsicht durch die bestellende Körperschaft. Das heißt: Ein von den genannten Körperschaften öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger unterliegt strengen Regularien und darf als solcher grundsätzlich nur Gutachten über das Fachgebiet erstatten, für das er bestellt ist. Er soll gemäß § 404 (2) ZPO von deutschen Gerichten grundsätzlich bevorzugt werden. Der „ö.b.u.v.“ Sachverständige ist in Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums nicht automatisch anerkannt. Frage: Warum auch, wo ist der Bedarf? Dazu später mehr.
Auch Handwerkskammern bestellen Sachverständige. Diese sind nach § 91 Nr.8 der Handwerksordnung in der Fassung 1998, zuletzt geändert 2009, verpflichtet Gutachten nur über Waren, Leistungen und Preise von Handwerkern zu erstatten, und zwar auf ihr Bestellungsgewerk beschränkt, also zum Beispiel für das Maurer- und Betonbauerhandwerk. Ein Handwerkssachverständiger darf als öffentlich Bestellter zum Beispiel keine Gutachten generaliter über Schäden an Gebäuden erstatten oder sich gar dazu äußern, ob ein Architekt fehlerhaft gehandelt hat. Leider gibt es Handwerkskammern, die nur dann prüfen, wenn ernsthafte Zweifel an der Befähigung des Bewerbers vorliegen. Sonst genügen dort als Nachweis der Besonderen Sachkunde die Kammerzugehörigkeit, der Meisterbrief und eine entsprechende Berufspraxis. Eine Überwachung der von dort bestellten Sachverständigen findet erfahrungsgemäß nicht regelmäßig statt.
Ein Kind der europäischen Harmonisierung ist der europaweit anerkannte zertifizierte Sachverständige. Dieser unterwirft sich einer der nach DIN EN ISO / IEC 17024 akkreditierten Zertifizierungsstellen, die als privat-rechtliche Institutionen (nicht als Körperschaften des Öffentlichen Rechts, was der Verfasser für einen bedeutenden Unterschied hält), ausbilden, prüfen und überwachen und somit auch ein kommerzielles Interesse haben, Sogar Quereinsteiger können hier zertifiziert werden, z.B. Immobilienmakler – eine nicht geschützte Berufsbezeichnung – als Sachverständige für Schäden an Gebäuden (Quelle: www.iq-zert.de, Abfragedatum 31.03.2010). Auch zertifizierte Sachverständige unterliegen der Überprüfung ihrer Sachkunde und Aufsicht durch die Zertifizierungsstelle. Nach Gesetzeslage (§ 404 (2) ZPO) gehören zertifizierte Sachverständige zu demjenigen Personenkreis, der im Regelfall von deutschen Gerichten nicht bevorzugt werden soll. § 36a GewO verpflichtet aber, dass zertifizierte Sachverständige aus dem europäischen Wirtschaftsraum in der Bundesrepublik Deutschland als besonders sachkundig zu betrachten sind. Bedauerlicherweise wird von einigen Zertifizierungsstellen gegen ö.b.u.v. Sachverständige in der Richtung polemisiert, sie seien quasi die Dinosaurier des Sachverständigenwesens, weil sie nicht europaweit anerkannt seien. Ja, und? Wie soll das denn in Praxis „gelebt“ werden? Der ö.b.u.v. Kollege aus z.B. Bonn erstattet dann beispielsweise vor dem erstinstanzlichen Tribunale in Udine ein Gutachten nach italienischem Recht, italienischen Regeln der Technik und vor allen Dingen in der dortigen Amtssprache? Ist da vielleicht das Argument der europäischen Anerkennung eher PR-Maßnahme als Notwendigkeit?
Bleiben noch die staatlich anerkannten Sachverständigen, die privat-rechtlich arbeiten und öffentlich-rechtliche Aufgaben übernehmen, die früher ausschließlich von Behörden abgedeckt wurden, zum Beispiel die Prüfung von Planungsunterlagen hinsichtlich des Schall-. Wärme- oder Brandschutzes. Damit sollen sie zur Entlastung der Behörden beitragen.
Dazu gehören auch die Sachverständigen amtlich anerkannter Prüforganisationen, wie z.B. TÜV oder DEKRA, die hoheitlich bei der Überprüfung von Kraftfahrzeugen, Aufzügen oder dergl. tätig werden. Deswegen sind sie aber keine staatlichen Organisationen, wie fast jeder Verbraucher denkt. Auch hier hat der Staat diesen in unterschiedlichen Rechtsformen (z.B. e.V., GmbH, AG etc.) auftretenden Institutionen begrenzte Prüfungsaufgaben übertragen (allerdings nicht für das Bauen, was gerne gegensätzlich kolportiert wird).
Achtung, häufige Fehlinterpretation: Der Sachverständige ist z.B. niemals die Prüforganisation, sondern immer nur der jeweilige Mitarbeiter! Denn: Sachverständige sind natürliche, keine juristischen Personen.