Meine Sicht des Bausachverständigen auf die Grundlagen der Schimmelbildung

Wohnhygiene

Vor dem Zweiten Weltkrieg war die heutige, epidemieartige Verpilzung von Wohnungen nicht bekannt. Um die 4 m hohe Räume hatten ein großes Luftvolumen, durch die einfach verglasten, dichtungslosen Holzfenster entstand auch ohne Lüften ein ausreichender Raumluftwechsel. Zudem diente die Glasscheibe als Schwitzwasser-Katalysator, Stichwort Eisblumen im Winter. Zusätzlich verbrannte der Ofen feuchte Raumluft bei hohem Strahlungsanteil, und: Die Bewohner waren gegen Erkältungs – Infekte abwehrstärker.

Die Bausachverständigen für Bauschäden wissen, dass es heute im Grunde keine Neubauten ohne Schimmelpilzbildungen gibt. Leider werden die Wechselwirkungen in Bezug auf Baustoffe nur unzulänglich wissenschaftlich untersucht, so dass es keinen verlässlichen, zusammenfassenden Überblick gibt. Es entwickelt sich aber die forensische Erkenntnis, dass bestimmte Wandbaustoffe und Putze mit saurem pH-Wert eher pilzanfällig sind als andere, also beispielsweise Gipsputze empfänglicher als Kalkzementputze. Aber auch methodische medizinische Forschungen wären von großer Wichtigkeit. Zwar ist das Immunsystem des gesunden Menschen gegen eine Pilzverkeimung in aller Regel ausreichend resistent, dennoch können toxisch oder allergen wirkende Schimmelpilze Krankheiten auslösen, beispielsweise Infektionen der Atemwege oder chronische Allergien. Aber nicht jeder Schimmelpilz wirkt toxisch und/oder allergen, weswegen seine Gattungs- und Artenbestimmung im begründeten Einzelfall sinnvoll sein kann.

Entstehung und Vermehrung

Schimmelpilze sind natürlicher, unsichtbarer Bestandteil der Luft. Erst wenn sie an Oberflächen sichtbar werden, wird uns ihre Existenz bewusst. Voraussetzungen für das Sichtbarwerden sind geeignete Wachstumsbedingungen und Nährböden. So sind zum Beispiel organische Substanzen wie die Raufasertapete oder die im Tapetenleim enthaltene Cellulose ein idealer Nährboden, aber auch Blumenerde, Pflanzen, Lebensmittel, Textilien und dergleichen.

Ideale Wachstumsbedingungen stellt ein feucht-warmes Klima dar, wobei die Feuchtigkeit in der Regel durch Schwitzwasserbildung entsteht. Bevorzugt werden zudem nur wenig belichtete Bereiche. Schwitzwasser entsteht, wenn der Raumluft so viel Feuchtigkeit zugeführt wird, dass sie diese nicht mehr aufnehmen kann. Beispiel: Der beschlagene Spiegel beim Duschen. In aller Regel ist dies unproblematisch, wenn man die feuchtigkeitsgesättigte Raumluft gleich wieder ablüftet. Schwitzwasser kann aber auch dann entstehen, wenn die Innenseite eines Außenbauteils wegen mangelhafter Wärmedämmung so kalt ist, dass sie die jeweilige Taupunkttemperatur der Raumluft erreicht. In diesem Fall spricht man bei den Bausachverständigen von einer sogenannten Wärmebrücke.

Werden Wachstumsbedingungen und Nährböden vorgefunden, entsteht aus der luftgetragenen Spore ein Myzel mit fädriger Struktur. Dies sind die sogenannten Pilzfäden oder auch Hyphen. Sie breiten sich kreisförmig aus und wachsen dabei schnell heran. Das Unangenehme dabei ist, dass sie in diesem Stadium wiederum Sporen an die Raumluft abgeben. Dies kann zu einem Aufschaukelungsprozess führen.

Die gängigsten Schimmelpilze sind die der Gattung Aspergillus (Gießkannenschimmel) und Penicillium, das ist der sogenannte Pinselschimmel.

Weitere Ursachen für Feuchtigkeitsbildungen liegen sicherlich in den kurzen Bauzeiten. Zudem werden Wohngebäude mit beträchtlichen Mengen von Restfeuchte bezogen, diese muss erst im Laufe der ersten 2 – 3 Heizperioden getrocknet werden. Feuchte Baustoffe von Außenbauteilen weisen zudem zwangsläufig eine geringere Wärmedämmfähigkeit auf, so dass es schon von daher zu einer Unterkühlung der inneren Bauteiloberflächen kommt. Erschwerend kommt hinzu, dass aus Gründen der Heizenergieeinsparung luftdichte Fenster eingebaut werden. Aktuelle Wärmedämmverglasungen sind zudem so gut wärmedämmend, dass bei üblichen Raumluftverhältnissen an der Innenseite kein Schwitzwasser ausfällt. Schadensfördernd ist das Dreh-/Kippfenster. In Kippstellung kühlt es den Raum aus, ohne ihn wirksam zu lüften. Ein zwei- bis dreimal tägliches Stoßlüften ist erforderlich, um Überkapazitäten von Wasserdampf abzulüften.

Des weiteren ist es falsch verstandene Sparsamkeit, die Heizkörper beim Verlassen der Wohnung abzudrehen, weil kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann als warme, sprich bei kalter Luft schlägt sich Feuchtigkeit früher an Bauteilen nieder als bei wärmerer. Zudem entfällt durch das Abdrehen der Heizkörper der wichtige Strahlungsanteil.

Auch die Möblierung spielt eine entscheidende Rolle. Stehen Möbel mit geschlossenen Rückwänden näher als etwa 10 cm an den Innenseiten von Außenwänden, verlagert sich die Taupunkttemperatur aus der Außenwand heraus auf deren innere Oberfläche, weil das Luftpolster zwischen Möbelstück und Wand als wärmedämmendes Stauluftpolster wirkt. Weiterhin sind von Wand zu Wand und von der Decke bis zum Boden reichende Vorhänge zuverlässige Schadenserzeuger, weil sie zum einen Heizkörper verdecken und zum anderen ebenfalls bauphysikalisch nicht gewollte Stauluftpolster bilden. Auch der modische Wohnungstrend Überbepflanzung von Räumen („Ikea-Effekt“) ist ein zunehmendes Problem, weil die feuchte Erde Wasser verdunsten läßt. Es kommt auch vor, dass Schimmelpilze in Wohnungen eingetragen werden, beispielsweise an Pflanzen, Möbeln, Lebensmitteln, Kleidern etc.

Weiterhin schaukelt sich dieser Problemkreis durch energiepolitisch verordnete und „falsche“ Verhaltensweisen der Bewohner weiter auf. Ist dieses von höchster Regierungsstelle geforderte, bauphysikalisch aber „falsche“ Nutzerverhalten, im rechtlichen Sinne überhaupt vorwerfbar?

Ursachenbestimmung

Dem Verbraucher wird gelegentlich suggeriert, dass ohne Ausnahme Krankheiten drohen, ja sogar ganze Häuser abgerissen werden müssen. Das ist in dieser pauschalen Ausschließlichkeit Panikmache. Seriös ist es, zunächst die Ursache der Schimmelpilzbildung zu eruieren. Dabei können einfache Temperaturmessungen von Bauteiloberflächen ohne großen Aufwand mit der Wärmebildkamera und dergleichen bereits hilfreich sein.

Wichtig kann auch eine Bestimmung der Pilzart sein. Dabei lässt man lässt im Brutschrank eine entnommene Probe ausbrüten und bestimmen, was schon wegen der gesundheitlichen Komponente wichtig ist. Noch wichtiger ist aber der Keimgehalt der Luft. Mit einem Luftkeimsammelgerät werden die Sporen auf eine Trägerplatte gesogen und sodann das Maß der Luftverkeimung anhand sogenannter KBE (koloniebildende Einheiten) pro cbm Luft bestimmt. Ganz wichtig ist, dass durch eine Referenzmessungimmer die Verkeimung der Außenluft mit bestimmt wird! In vielen Fällen ist nämlich die Außenluft verkeimter als die Raumluft, insbesondere bei Feldrandlagen oder sogar im Wald. Allerdings existieren zur Zeit weder in Deutschland noch international gültige Grenzwerte für Schimmelpilze in der Raumluft. Man kann sich aber beispielsweise an den (unverbindlichen) deutschen Empfehlungen für baubiologische Richtwerte orientieren:

  • Weniger als 200 KBE/cbm = keine Anomalie
  • Weniger als 500 KBE/cbm = schwache Anomalie, langfristig besteht Handlungsbedarf
  • 500 – 1.000 KBE/cbm = starke Anomalie, Sanierungen sollten umgehend durchgeführt werden
  • Mehr als 1.000 KBE/cbm = extreme Anomalie, Sofortmaßnahmen erforderlich.

Beseitigungsmaßnahmen

Schon aus psychologischen Gründen empfehlen sich relativ einfache Sofortmaßnahmen. Da Schimmelpilze nur bis ca. +85° C lebensfähig sind, kann man die kontaminierten Flächen mit dem Föhn entkeimen. Auch eine Bestrahlung mit Ultraviolettlicht hilft vorübergehend. Schließlich kann man mit Alkohol, Brennspiritus, Chlorbleiche oder sonstigen handelsüblichen Fungiziden den Schimmelpilzvorübergehend bekämpfen, bevor eine endgültige Sanierung erfolgt. Diese muss alle denkbaren Parameter berücksichtigen, angefangen bei der Hinterfragung der Gebäudekonzeption, endend bei der Nutzeraufklärung.

© Probst 2008

[printme]